Die Grundbegriffe zum Thema „Vernetztes Fahren“
Um einen Einstieg in das Thema „Vernetztes Fahren“ zu finden, lohnt es sich zunächst, sich mit den essentiellen Begriffen des vernetzen Fahrens auseinanderzusetzen. Es wird grundsätzlich unterschieden zwischen V2I und V2V.
V2I (auch C2I genannt) steht für Vehicle-to-Infrastructure. Hierbei handelt es sich um Kommunikation zwischen einem Fahrzeug und der Infrastruktur. Mit Infrastruktur sind Strassenstationen gemeint, welche sich dann beispielsweise in Ampeln oder im Asphalt befinden und globale sowie lokale Daten über den Verkehr und den Strassenzustand aggregieren. Diese Daten können dann dazu führen, dass die Infrastruktur Fahrzeugen in einer bestimmten Region ein gewisses Verhalten vorschlägt oder es diesen sogar aufzwingt.
Zum Beispiel kann einem Fahrzeug Geschwindigkeit, Beschleunigung und die Distanz zu anderen Fahrzeugen aufgrund von den aktuell herrschenden Verkehrsbedingungen vorgeschlagen werden. Dies hat zum Ziel, dass Schadstoffemissionen, der Kraftstoffverbrauch sowie die Geschwindigkeit des Verkehrs im Allgemeinen optimiert werden.
Der zweite wichtige Begriff lautet V2V (auch C2C genannt), was für Vehicle-to-Vehicle steht. Dies bezieht sich auf die Kommunikation von Fahrzeugen untereinander. Theoretisch sollte dies so funktionieren: Wenn zwei oder mehr Autos oder Strassenstationen in Kommunikationsreichweite sind, richten sie ein Ad-hoc-Netzwerk (Vehicular Ad Hoc Network VANET) ein, welches das Teilen von Position, Geschwindigkeit und Richtung der Fahrzeuge ermöglicht. Jedes Fahrzeug ist ein Router, über welchen Nachrichten auch an weiter entfernte Fahrzeuge gesendet werden können.
V2V ist schwieriger umzusetzen, da die Struktur extrem dezentralisiert ist. Es muss also jedes Auto über die entsprechende Technologie verfügen, nicht nur die Infrastruktur der Strasse. Zudem setzt V2V die Zusammenarbeit von verschiedenen Autoherstellern und Lieferanten bezüglich Kommunikationstechnologie, Protokolle usw. voraus.
Damit so ein System funktionieren kann, braucht es Sicherheitstechnologie auf lokalen wie auch auf höheren Ebenen. Das System muss dazu fähig sein, automatische und semiautomatische Entscheidungen zu treffen, um zumindest Warnungen wiedergeben zu können, möglicherweise auch um die Fahrweise des Fahrzeuges direkt zu beeinflussen. Dabei müssen Unsicherheiten, Verzögerungen bei der Datenermittlung und natürlich auch die Sicherheit stets in Betracht gezogen werden.
Regulatorische Beschränkungen
Die Vienna Convention on Road Traffic ist ein internationales Abkommen zur Erleichterung internationalen Strassenverkehrs und zur Erhöhung der Verkehrssicherheit seit dem 21.05.1977. Bis Ende März 2014 galt folgender Leitsatz: «Jeder Fahrer muss jederzeit dazu imstande sein, sein Fahrzeug zu kontrollieren.» Dies stand im Widerspruch zu gewissen Aspekten von V2I und V2V. Sollen diese Technologien in Notfällen direkt in die Fahrweise von Fahrzeugen eingreifen dürfen, müsste dieses Abkommen angepasst werden.
Glücklicherweise geschah dies: Systeme, welche die Führung eines Fahrzeuges beeinflussen sind nun zulässig, sofern sie jederzeit vom Fahrer überstimmt oder abgeschaltet werden können. Dieser regulatorische Rahmen ermöglicht beispielsweise Abstandsregeltempomaten, welche den Abstand zum vorausfahrenden Fahrzeug zur Geschwindigkeitsregelung miteinbezieht und ist ein wichtiger Schritt in Richtung vernetztes Fahren.
Das völlig autonome Lenken eines Fahrzeugs bedarf allerdings einer weiteren Anpassung des Abkommens. Im Moment werden nur natürliche Personen als Fahrer eines Fahrzeugs definiert. Automatisierte Systeme mit voller Kontrolle über ein Fahrzeug werden noch nicht mit Personen gleichgestellt.
Fortschritte im Bereich des vernetzen Fahrens
Mit dem CAR2CAR Konsortium besteht ein wichtiges Konsortium für Verkehrssicherheit und Effizienzsteigerung im Verkehr. Es umfasst 80 Mitglieder, darunter 16 marktführende Autohersteller, 36 Ausstattungslieferanten und 28 Forschungsorganisationen. Im Fokus des Konsortiums stehen V2V-Applikationen sowie das Erstellen von Standards, um die Kompatibilität zwischen unterschiedlichen Systemen zu gewährleisten, dass also alle Fahrzeuge unabhängig von Marke oder Land miteinander und mit der Infrastruktur kommunizieren können. CAR2CAR hält es für möglich, dass 2019 erste kooperativ kommunizierende Fahrzeuge lanciert werden können.
Hindernisse
Damit die kabellose Übertragung von Signalen von Fahrzeugen zu anderen Fahrzeugen oder zur Infrastruktur nicht andere Signale stört, wie zum Beispiel diejenige von Mautstellen, muss das Konsortium weitere Forschung anstellen. Zudem gibt es noch Privatsphären- und Sicherheitsbedenken, die in Angriff genommen werden müssen. Das Konsortium plant Standards so zu entwickeln, dass sie sowohl in Europa als auch in den Vereinigten Staaten von Amerika gesetzeskonform sein werden.
Ausserdem müssen mindestens 10-15% aller Fahrzeuge im Verkehr mit solchen Technologien ausgestattet sein, damit sie überhaupt sinnvoll eingesetzt werden kann. Allerdings ist die Aufrüstung von Fahrzeugen mit W-Lan-Modul, Steuergerät, Anzeigen für den Fahrer usw. relativ kostspielig, vor allem im Anfangsstadium. Es gibt also trotz der grossangelegten Zusammenarbeit von marktführenden Kräften in der Automobilindustrie noch regulatorische und politische Hürden, die es vor der Markteinführung intelligenter Fahrzeuge zu überwinden gilt.
Kritikpunkte am vernetzten Fahren
Die vorangehende Entwicklung in Richtung vernetztes Fahren erfreut nicht jedermann. Es gibt einige Kritikpunkte an den neuartigen Kommunikationssystemen:
- Es besteht die Gefahr, dass sich Nutzer dieser Technologie zu sehr darauf verlassen würden und dann bei Absenz von Warnmeldungen unvorsichtig fahren würden, obwohl beispielsweise die Strasse überquerende Fussgänger oder gestürzte Fahrradfahrer möglicherweise nicht vom Warnsystem ergriffen werden würden.
- Verfälschen oder Manipulieren von Warnmeldungen müsste um jeden Preis verhindert werden. Deshalb müssten solche Meldungen über eine elektronische Signatur verfügen, auf welche sie überprüft werden könnten. Hier ist auch das Sicherstellen der Anonymität immer ein Bedenken, da V2I und V2V auf keinen Fall der Datensammlung dienen sollte, sondern ausschliesslich der Verkehrssicherheit.
- Der Datenschutz ist eines der grössten Fragezeichen in der V2V und V2I. Die Menge an ermittelten personenbezogenen Daten sowie deren Weiterverwendung sollte kleinstmöglich gehalten werden. Sie sollten nur erhoben werden, wo sie zur Funktionserfüllung unabdinglich sind.
Vorteile des vernetzten Fahrens
Neben den Kritikpunkten, welche sicherlich Beachtung verdienen, bringt das vernetzte Fahren allerdings auch substantielle Vorteile zum traditionellen Verkehr, wie er heute vorherrscht:
- Steigerung der Verkehrseffizienz: Der Verkehr wächst stetig an, es werden 13% mehr Personenverkehr und 38% mehr Frachtverkehr erwartet im Jahr 2030. Vernetztes Fahren kann dazu beitragen, herrschende Verkehrsbedingungen ideal auszunutzen und so Staus oder stockender Verkehr zu vermeiden. Das existierende Strassennetz kann so sehr viel effizienter genutzt werden, was den Druck auf die Expansion desselben deutlich schmälert.
- Steigerung der Verkehrssicherheit: 2014 konnten 90% der Unfälle im Verkehr auf menschliches Versagen zurückgeführt werden. Hier besteht enormes Potenzial durch Assistenzsysteme, welche den Fahrer im Verkehr unterstützen, die Sicherheit zu erhöhen. Es kann erwartet werden, dass bereits bestehende Systeme wie der Spurhalteassistent oder Notbremsevorrichtungen durch die anhaltende Forschung im Bereich des vernetzen Fahrens kontinuierlich verbessert werden, was zusätzlich zur Verkehrssicherheit beiträgt.
- Reduktion der Schadstoffemissionen im Verkehr: Stau und stockender Verkehr kann zu erhöhtem Kraftstoffverbrauch führen und so zu erhöhtem Emissionsausstoss im Vergleich zu fliessendem Verkehr. Wird durch vernetztes Fahren der Verkehrsfluss kontinuierlich verbessert, so können Beschleunigungs- und Bremsmanöver reduziert werden, was zu einer Verringerung des Kraftstoffverbrauches und des Emissionsausstosses führt.
Aktueller Stand in Fahrerassistenz und vernetztem Fahren am Beispiel von Mercedes.
Fazit
Insgesamt kann also festgehalten werden, dass vernetztes Fahren grosse Vorteile für den täglichen Verkehr mit sich bringen wird. Durch die gute Zusammenarbeit innerhalb des CAR2CAR Konsortiums sind wir zuversichtlich, dass regulatorische und politische Barrieren abgebaut werden können. So kann die Automobilindustrie von den technologischen Möglichkeiten, welche sich uns bieten, profitieren.
Mit einem sicheren und datenarmen System, welches die Kommunikation zwischen Fahrzeugen und auch mit der Infrastruktur anbieterübergreifend gewährleisten kann, könnte sich der Verkehr für alle Beteiligten in Zukunft sehr viel angenehmer, günstiger und sicherer gestalten. Wir verfolgen die Entwicklungen der nächsten Jahre gespannt weiter und halten sie auf dem Laufenden.